Die interdisziplinäre Projektarbeit

Ein 25-jähriges Erfolgsmodell

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  • Studium

In der interdisziplinären Projektarbeit (iPA) werden Probleme nicht nur theoretisch diskutiert, sondern ganz praktisch angegangen. Bereits seit 1996 bearbeiten kleine Teams aus Masterstudierenden der Agrar- und Lebensmittelwissenschaften reale Fragestellungen und stellen dabei ihre Kompetenzen auf die Probe. Dabei soll nicht nur das vielfältige Fachwissen, das während dem Studium erworben wurde, zum Einsatz kommen, sondern auch vernetztes Denken gefördert werden.

Jedes zweite Jahr ist eine andere Region oder landwirtschaftliche Schule der Schweiz Gastgeber, 2021 beispielsweise das landwirtschaftliche Zentrum Salez. Die Projekte sind entlang der ganzen Lebensmittelwertschöpfungskette angesiedelt und reichen von Artischockenanbau über die Qualitätssicherung in Hofmolkereien und -käsereien bis zur Kreation eines Ribelmaisdrinks.

Ein Projekt von A bis Z durchführen

Die praktische Arbeit beginnt in der Regel mit einem Besuch der Teams bei ihren Projektpartner*innen. Schliesslich soll genau festgelegt werden, welche Minusgrade die Artischocken aushalten müssen, welche Milchprodukte genau hergestellt werden sollen oder für welche Zielgruppe der Maisdrink gedacht ist.

Dann geht’s weiter mit dem Erstellen von Projektantrag, Grob- und Detailkonzepten, Recherchen, Kontaktieren von Fachpersonen, Tüfteleien im Labor oder in der Küche und Berechnen von Businessmodellen. Inputs erhalten die Teams einerseits von Coaches aus den beiden Fachrichtungen, andererseits aus Vorlesungen zu Themen wie Teamarbeit und Projektmanagement.

Was die Studierenden während eines Semesters erarbeitet haben, wird in den externen Projekttagen schliesslich abgeschlossen. Sie finden in einer Unterkunft in der Gastgeberregion statt und erlauben den Studierenden sich noch einmal intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. In diesen vier Tagen erstellen die Teams ihren Projektbericht und präsentieren ihre Lösung am letzten Tag vor den versammelten Projektpartner*innen, Coaches und Studierenden.

Die Umsetzung der Vorschläge ist Sache der Projektpartner*innen. Und das wurde durchaus schon gemacht, so hat 2007 beispielsweise ein Landwirt aus dem diesjährigen Gastgeberkanton auf Anraten der Studierenden seinen Betrieb erfolgreich von Milchkuh- auf Milchschafhaltung umgestellt.

Die Maisdrink-Gruppe besucht die Ribelmais Chipsfabrik Lütolf im St. Galler Rheintal. Aus dem bei der Produktion entstehenden Maisstaub werden die Studierenden einen Drink kreieren.
(Bild: Isabelle Merz)

Gemeinsam innovativ

Die Studierenden sollen die Möglichkeit haben kreativ zu sein, um innovative Lösungen für reale Problemstellungen zu finden und sich Kompetenzen anzueignen, die sonst nicht Teil des Lehrplans sind. Für die iPA wurde deshalb ein Format gewählt, das sich in vielerlei Hinsicht von den klassischen Lehrveranstaltungen an der ETH unterscheidet.

Vorlesungen machen nur einen kleinen Teil der Lehrveranstaltung aus und finden unregelmässig statt. Sie geben hauptsächliche überfachliche Inputs, die unmittelbar im Projekt angewandt werden können. Vielmehr liegt der Fokus von Anfang an auf dem aktiven Anwenden von Fachwissen und dem selbständigen Schliessen von Wissenslücken. Zudem wird viel Wert auf den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den angehenden Fachpersonen der verschiedenen Disziplinen gelegt. Die Lehrveranstaltung trägt die Interdisziplinarität schliesslich im Namen.

Allerdings bringen alle Beteiligten nicht nur unterschiedliche Kompetenzen mit, sondern auch unterschiedliche Meinungen. Und genau hier liegt ein weiteres Ziel der iPA: die Studierenden sollen die hohe Kunst der professionellen Kommunikation mit Teammitgliedern, Coaches und Projektpartner*innen erlernen.

Im Toggenburg suchen Studierende zusammen mit Coach Emmanuel Frossard nach der besten Möglichkeit zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten auf Bergweizen. Während ihrem ersten Besuch beim Projektpartner beurteilen sie den Boden.
(Bild: Simone Aberer)

Ein kontinuierlicher Optimierungsprozess

Die erste iPA fand 1996 in Grangeneuve (FR), als einwöchige Lehrveranstaltung unter dem Namen «Interdisziplinäre Arbeitswoche» statt. Die Interdisziplinarität bezog sich dabei auf die fünf – in der Studienreform neu geschaffenen – Studienrichtungen (Agrarpflanzenwissenschaften, Nutztierwissenschaften, Agrarwirtschaft, Agrarökologie und Agrarbiotechnologie). Alle Studierenden sollten noch einmal gemeinsam ein Projekt erarbeiten und ihr, während des Studiums erarbeitetes, Fachwissen verknüpfen. Themen waren damals die Analyse von Futtermitteln oder das Erstellen einer Fruchtfolge.

2008 beteiligten sich erstmals auch die Lebensmittelwissenschaften an der Lehrveranstaltung, allerdings beschäftigten sich die zwei Studiengänge damals noch mit unterschiedlichen Themen. Erst seit 2010 werden Projekte entlang der ganzen Lebensmittelwertschöpfungskette in gemischten Teams bearbeitet. Nach und nach wurden zusätzliche überfachliche Kompetenzen, wie Teamarbeit, Projektmanagement und Präsentationstechnik, als Lernziele definiert und die Lehrveranstaltung wurde auf einen Semesterkurs verlängert. Im Jahr 2014 wurde sie deshalb in «Interdisziplinäre Projektarbeit» umbenannt.

Die Lehrveranstaltung wird weiterhin optimiert, um zeitgemässen Anforderungen zu entsprechen. So wird seit 2020 ein noch stärkerer Fokus auf Transdisziplinarität gelegt.