Agrarökonomie

Von Landwirtschaftlicher Betriebslehre bis Operations Research

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  • Forschung

Wer einen eigenen Betrieb führt, kann nicht auf sie verzichten. Auch bei Fragen der Agrarpolitik ist sie entscheidend: die Agrarökonomie. Seit der Gründung der landwirtschaftlichen Schule 1871 ist die landwirtschaftliche Betriebslehre ein fester Bestandteil der Agrarwissenschaften.

Der erste Professor für Agrarwirtschaft am Polytechnikum war Adolf Kraemer. Er forschte und lehrte an der Schnittstelle zwischen landwirtschaftlicher Betriebslehre und Tierproduktion und war ein Liberaler seiner Zeit. Mit dem Beginn des Agrarschutzes nach 1890 durch Zölle und Subventionen kam Ernst Laur, gleichzeitig Gründer des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV), ans Polytechnikum. Er war einer der Begründer der wissenschaftlichen landwirtschaftlichen Betriebslehre und lehrte bis 1939 an der ETH. Gleichzeitig forderte er vom Bundesstaat Preisschutz und Einfuhrregelungen für die Bauernschaft – mit nachhaltigem politischem Erfolg. Auf ihn folgte 1936 Professor Oskar Howald, ebenfalls Vizedirektor und später Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV).

Die Agrarwirtschaft wird unabhängig vom SBV

Die personelle Loslösung vom SBV erfolgte erst durch die Wahl von Jean Vallat 1967. Der Walliser war damals Direktor der landwirtschaftlichen Beratung in der französischsprachigen Schweiz. Verschiedene Buchhaltungssysteme waren ihm ein Anliegen, aber er brachte auch eine regionalwirtschaftliche Sichtweise in die Lehre und Beratung ein. Sein Gedankengut war prägend für die allmähliche Einführung einer vom Bund getragenen Regionalpolitik zugunsten des Schweizerischen Berggebietes.

Mathematische Methoden halten Einzug

In den 60er Jahren kamen Dietmar Onigkeit und Peter Rieder an die damalige Abteilung für Landwirtschaft. Beide waren vorher Mitarbeiter im Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich. Sie führten neue mikro- und makroökonomische Themen wie beispielsweise die Angebots- und Nachfragetheorie oder die volkswirtschaftliche Optimierung in Forschung und Lehre der Agrarwirtschaft ein. Mit der Entwicklung des Computers entstanden auch in der agrarökonomischen Forschung neue Möglichkeiten. Insbesondere das Fachgebiet Operations Research – die Anwendung von mathematischen Modellen zur Planung, Optimierung oder Analyse von Systemen – hatte einen grossen Einfluss auf die Forschung und Lehre der Agrarökonomie an der ETH.

Optimierungsmodelle für die Schweiz

Zunächst in den USA, aber auch in europäischen Ländern entwickelten Forschende mathematische Optimierungsmodelle, um volkswirtschaftliche Fragen des damals überall durch Preisgarantien geschützten Agrarsektors zu analysieren. Dietmar Onigkeit und Peter Rieder schufen in ihren 1967 bzw. 1973 abgeschlossenen Habilitationsarbeiten auch entsprechende Modelle für die Schweiz. Mit Hilfe dieser Modelle konnte analysiert werden, mit welchen Massnahmen eine aus einer volkswirtschaftlichen Perspektive optimale Agrarstruktur erhalten werden kann.

Breite Anwendung bis heute

Mehrere agrarwirtschaftliche Dissertationen erweiterten und verfeinerten diese Ansätze beispielsweise mit Bezug zu einzelnen Märkten oder Regionen wie das Berggebiet. Viele dieser Arbeiten lieferten Entscheidungsgrundlagen für die damals laufenden Verhandlungen des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), welche in der Gründung der WTO (World Trade Organization) und neuen weltweiten Regeln für die Agrarpolitik mündeten. Die Anwendung mathematischer Methoden wie Operations Research oder der Ökonometrie sind bis heute zentraler Bestandteil der agrarökonomischen Forschung und Lehre an der ETH.