Ferkeldurchfall und E. coli F18 Resistenz

Erinnerungen von Prof. Gerald Stranzinger

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  • Forschung

Eine Ferkelkrankheit gab den Forschenden Rätsel auf. War die Ernährung Schuld an der tödlichen Krankheit oder lag vielmehr eine genetische Disposition vor? Dank der Hartnäckigkeit von Forschenden des Instituts für Tierzucht wurde das Rätsel schliesslich nach vielen Jahren gelöst.

Professor Hans-Ulrich Bertschinger, der damalige Vorsteher des Instituts für Veterinärbakteriologie der Universität Zürich, erzählte mir in den 90er Jahren von einer Ferkelkrankheit, die sich durch Oedemet und Absetzdurchfall äussert und an der bestimmte Ferkel eines Wurfs kurz nach der Geburt sterben und andere nicht. Die Züchter*innen setzten in diesen Fällen Antibiotika ein, um die Ferkel zu retten, oft jedoch erfolglos.

Ein an Ödemkrankheit leidendes Ferkel verursacht durch das E. coli F18 Bakterium.
(Bild: Institut für Züchtungsbiologie, ETH Zürich)

Wenn sich ETH und Uni zusammentun

Damals untersuchte Bertschinger zusammen mit der Gruppe für Tierernährung der ETH, ob die Krankheit mit Futtermittelzusätzen bekämpft werden kann. Doch der Erfolg blieb aus.

Als Genetiker ahnte ich, dass es eine genetische Disposition sein könnte. Bertschinger und Peter Vögeli, damals Oberassistent am Institut für Tierzucht, begannen auch in dieser Richtung zu forschen. Bertschinger führte daraufhin in seinem Labor Adhäsionstests mit den Bakterien und Dünndarmzellen durch. Gleichzeitig führte Vögeli im Blutgruppen-Labor der ETH Markeranalysen durch. Untersucht wurden die Elterntiere und alle ihre lebenden und toten Ferkel. Bei den toten Ferkeln wurden auch Biopsien des Darmtraktes gemacht und die Proben auf Keime untersucht.

Ein Rätsel wird gelöst

Das Forschungsprojekt wurde von den Schweinezuchtorganisationen und vom Schweizerischen Nationalfonds während vieler Jahre unterstützt. Auch ich unterstützte das Projekt finanziell und verteidigte es öfters vor der Forschungskommission. Der Kommission dauerte es nämlich zu lange, bis Ergebnisse vorlagen. Mit dem Aufkommen molekulargenetischer Marker beim Schwein wurde die Sache jedoch immer interessanter.

Auf unserem Versuchsgut hatten wir eine Schweineherde, die wir auf diese Krankheit selektiert und gezüchtet hatten. Dadurch hatten wir immer Tiere zur Verfügung, deren Veranlagung wir kannten und wir konnten die Tiere entsprechend weiterzüchten. Eine genetische Disposition stellte sich tatsächlich heraus. Bestimmte Tiere waren in der Lage, E. coli Keime an der Anhaftung im Darmepithel zu hindern. Bei anderen Tieren konnten die angehefteten Keime Durchfall auslösen, was eben zum Tod der Ferkel führte. Es zeigte sich, dass ein Abschnitt auf Chromosom 6 des Schweins mit der Resistenz gegen E. coli F18-Befall assoziiert war. Aufgrund dieser Versuche wurde das FUT1-Gen als potentielles Kandidatengen weiter untersucht. Mittels genetischer Analysen bestimmten wir die genaue Lokalisierung und den Aufbau des besagten FUT1-Gens, das für die Anhaftung der Bakterien im Darmepithel eine Rolle spielt.

Ein E. coli Bakterium mit einer Geissel und zahlreichen Fimbrien des Typs F18.
(Bild: Institut für Veterinärbakteriologie, Universität Zürich)

Gestohlenes Patent

Diese Erkenntnis hat die ETH mit Peter Vögeli als Erfinder patentieren lassen. Allerdings behauptete ein amerikanischer Forscher, das Gleiche herausgefunden zu haben. Wir waren jedoch überzeugt, dass dieser Forscher eine von uns eingereichte Arbeit in einem wissenschaftlichen Journal (Mammalian Genome, 1997) als Gutachter zu lesen bekommen hatte und unsere Daten für sich verwendete. Es war unmöglich, dass er diese Resultate selbst erarbeitet hatte, da er selbst keine Versuchs- und Selektionsherde zur Verfügung hatte und daher keine Daten erheben konnte. Allerdings ist es in den USA sehr einfach, ein Patent anzumelden. Es reicht das Patent vorzustellen, ohne irgendwelche Daten oder andere Beweise vorzulegen.

Aufgrund unserer Einsprache wurde dieser Forscher von seiner Universität in den USA entlassen. Unsere Patentierung wurde weltweit umgesetzt (Lizenzen) und sowohl mein Institut als auch die ETH bekamen relativ viel Geld aus diesem Forschungsprojekt zurück.

Zum Wohl der Umwelt und der Gesundheit

Meine Mitarbeiter, Peter Vögeli, Stefan Neuenschwander mit ihren Doktorierenden und Hans-Ulrich Bertschinger hatten 15 Jahre an diesem Problem gearbeitet, bis sie die Lösung gefunden hatten. Die Schweizer Schweinezucht hat aus diesen Erkenntnissen und deren Anwendung bei der Selektion der Elterntiere grossen Nutzen gezogen und die Population von dieser Krankheit befreit. Auch das Ausland ist auf diese «gesunden» Tiere aufmerksam geworden. So wurde ein Zuchttierverkauf möglich und die Testmethode wurde weltweit eingeführt. Besonders bedeutungsvoll ist aber, dass durch diese Erkenntnisse keine Oedemkrankheit und kein Ferkeldurchfall mehr mit Antibiotika behandelt werden müssen. So haben wir mit unserer Forschung einen wichtigen Beitrag zum Wohl der Umwelt und der Gesundheit geleistet.