Smart Farming

Im Dienst einer nachhaltigeren Bewirtschaftung

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  • Forschung

Landwirtschaft soll effizienter, umweltfreundlicher und nachhaltiger werden. Um diesem Ziel näher zu kommen, treiben verschiedene Gruppen des Instituts für Agrarwissenschaften (IAS) die Entwicklung moderner Technologien voran. An der ETH sind jätende Roboter, autonome Kühe, schwebende Pflanzenzüchter und emissionsmessende Ställe bereits Realität.

Die Landwirtschaft sieht sich heute mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Von der Bevölkerung, wie auch von Fachleuten, werden Tierwohl und Umweltschutz eingefordert. Gleichzeitig muss die Bewirtschaftung dem sich ändernden Klima angepasst werden.

Das setzt sowohl Forschende wie auch Landwirt*innen unter Druck, alternative Produktionsweisen zu finden. «Moderne Technologien wie Bilderkennung, künstliche Intelligenz und Automatisierung können einen Beitrag dazu leisten», meint Achim Walter, Vorsteher der Forschungsgruppe für Kulturpflanzenwissenschaften und Smart Farming-Experte. Und weiter: «Die Entwicklung von neuen Methoden und Maschinen ist seit jeher eine Stärke der ETH. Im Bereich Smart Farming kann diese Stärke hervorragend in den Dienst einer nachhaltigeren Bewirtschaftung unserer Felder gestellt werden. Gemeinsam mit Landwirt*innen, Ämtern und Firmen versuchen Forschende der ETH auszuloten, welche Technologien in nützlicher Frist in der Praxis gebraucht werden können.»

Maschinen lernen Bilder auszuwerten

Der Begriff Smart Farming bezeichnet den Einsatz von computergestützten Technologien in der Landwirtschaft. Smarte Landwirtschaft kann in sehr vielen Bereichen betrieben werden, was sich auch in der Vielfalt der Forschungsprojekte an der ETH widerspiegelt.

Eine Vorreiterrolle übernimmt Achim Walters Gruppe für Kulturpflanzenwissenschaften. Sie beteiligt sich gleich an mehreren Projekten. Das Projekt DeepField entwickelt eine Möglichkeit, um in Zukunft Satellitenbilder zu nutzen, um sehr präzise Düngeempfehlungen für Stickstoff zu geben. Gleich zwei laufende Projekte sollen die Zucht von Getreide effizienter machen: Für die Global Wheat Head Detection Challenge werden Algorithmen kreiert, um die Anzahl Ären pro Fläche auf Fotos zu ermitteln – ein wichtiger Indikator für die Züchtung. Das zweite Projekt, TraitSpotting, nutzt die einzigartige Field Phenotyping Platform in Lindau Eschikon und Drohnen, um die besten Sorten für die Weiterzucht auszuwählen.

Die FIP in Aktion: Der Sensorkopf kann sich direkt über den einzelnen Plots positionieren, um die Eigenschaften jeder Weizensorten zu dokumentieren.
(Bild: Tom Kawara, ETH Zürich)
Frederic Kislinger bereitet die Matrice 600 für den Flug über die FIP Feldfläche vor.
(Bild: Andreas Hund, ETH Zürich)
Die Matrice 600 bei einem Tiefflug über den Weizenversuch in der FIP.
(Bild: Norbert Kirchgessner, ETH Zürich)
Ein Bodenkontrollpunkt zur Referenzierung der Flugbilder.
(Bild: Andreas Hund, ETH Zürich)

Pestizide reduzieren mit Robotern

Nebst der Entwicklung von Software zur Bilderkennung investiert die ETH auch in diverse andere Forschungsprojekte, so zum Beispiel in die Entwicklung neuer Sensoren oder Roboter. Diese navigieren in Form von Drohnen oder autonomen Robotern in einem Feld und sollen für Aussaat, Schädlingsbekämpfung oder Ernte eingesetzt werden. Hier besteht Potenzial zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln oder Dünger. Die Roboter sollen Nährstoffmängel oder Bioaggressoren zuverlässig erkennen können und diese sehr gezielt bekämpfen. Das heisst, sie bringen Dünger oder Pestizide nur aus, wo unbedingt nötig. Oder sie verzichten, im Fall von Unkraut, ganz auf Herbizide und führen die Bekämpfung mechanisch durch. So sollen nicht nur weniger Hilfsstoffe in die Umwelt gelangen, sondern auch Landwirt*innen entlastet werden.

Ungefähr so werden die Drohnen der Umweltrobotik-Gruppe aussehen, die in Zukunft Baumkronen aus nächster Nähe erkunden können.
(Bild: Gruppe für Umweltrobotik)
Das Logo der frischgebackenen Forschungsgruppe für Umweltrobotik.
(Bild: Forschungsgruppe Umweltrobotik, ETH Zürich)

Auf die Besonderheiten der Schweiz abgestimmt

Viele der bereits bestehenden Technologien sind auf grosse Betriebe ausgerichtet, ein Hindernis für deren Einsatz in der Schweiz mit ihren kleinräumigen Strukturen. Oft lohnt sich eine Investition aus rein wirtschaftlicher Sicht nicht. Hier setzt das Projekt Innofarm an, an dem gleich drei Forschungsgruppen sowie der Bauernverband des Kanton Solothurn beteiligt sind. Untersucht wird, wie Drohnen und neuste Sensortechnologie genutzt werden können, um Stickstoff und Pflanzenschutzmittel gezielter einzusetzen und damit zu reduzieren. Die Gruppe für Agrarökonomie überprüft aufgrund der daraus resultierenden Daten, ob und wie diese Technologien in der Praxis tatsächlich eingesetzt werden können, beispielsweise ob jeder Landwirt für sich selbst eine Drohne beschafft, sich mehrere Betriebe eine teilen oder ob es eine Arbeit ist, die von Lohnunternehmen verrichtet werden soll. Weiter interessiert, welche Rolle die Agrarpolitik spielen kann.

Der handgrosse Prototyp des Sensors Digit Soil. Für jede Messung wird eine neue Membran (in blau) benutzt.
(Foto: Sonia Meller, Digit Soil)
Ein Teil des Teams: Agrarwissenschaftlerin Hélène Iven (links) und Gründerin von Digit Soil Sonia Meller (rechts).
(Bild: Jasmin Fetzer)

Ein wichtiges Element im Studium

Auch in der Lehre erhält das Thema Smart Farming einen immer höheren Stellenwert. In den letzten Jahren sind neue Vorlesungen wie «Crop Phenotyping» oder «Innovation in Precision Agriculture» ins Leben gerufen worden. Hier werden die Studierenden in die Welt der digitalisierten Landwirtschaft eingeführt. Sie lernen neuste Technologien und deren Grenzen kennen, wenden die Technologien selbst an, entwickeln eigene Ideen, haben die Chancen Start-Ups zu gründen und profitieren vom Austausch mit Studierenden aus anderen Departementen.

Das Entwicklerteam präsentiert seinen funktionstüchtigen Jätroboter «Rowesys».
(Bild: Immanuel Denker, Rowsesys)
Der Roboter «Rowesys» entfernt das Unkraut zwischen den Reihen mit einem vierzinkigen Grubber.
(Bild: Immanuel Denker, Rowesys)

Angewandtes Smart Farming in den Nutztierwissenschaften

Ein Beispiel für angewandtes Smart Farming ist der Milchviehstall von AgroVet-Strickhof in Eschikon. Er ist mit moderner Sensorik ausgestattet, die ein hohes Mass an Tierwohl erlaubt. Die Kühe sind weitgehend autonom. Sie bedienen Melkroboter und Fütterungsautomaten aufgrund ihrer eigenen Bedürfnisse selbst. Ausserdem wird die Aktivität jedes einzelnen Tiers aufgezeichnet. Die Regelmässigkeit der Kaubewegungen, Anzahl Melkgänge pro Tier und Tag und Besuche des Futterautomaten werden registriert. Das ermöglicht beispielsweise allfällige Krankheiten sehr früh zu erkennen.