Kuhrassen und ihre Wirkung
Forschen im Wanderparadies
Als die ETH 1967 die Alp Weissenstein am Albulapass erwarb, gingen zunächst weiterhin, wie bisher üblich, ausschliesslich Braunviehkühe und -rinder auf die Alp. Mit der Zeit rückten aber neue Forschungsfragen in den Fokus und damit auch andere Rinderrassen. Während dies in den ersten Jahren noch für ziemliche Aufregung sorgte, wurden Tiere spezieller Rassen in den späteren Jahren von den Leuten gar vermisst.
Graubünden war lange Zeit eine Hochburg der Braunviehzucht und so kannte man auf den Bündner Alpen fast nur Rindvieh der Rasse Braunvieh. Als die ETH Zürich die Alp Weissenstein im Jahre 1967 erwarb, wurden in den ersten Jahren auch ausschliesslich Projekte mit Tieren der Rasse Braunvieh durchgeführt. Mit den Veränderungen in der Landwirtschaft rückten aber auch andere Rindviehrassen und -typen in den Fokus der Forschung. So bei der damaligen Professur für Tierzucht die stärker milchbetonten Rassen Holstein und Jersey. Deshalb wurden im Verlaufe der 1980er Jahre die ersten schwarz/weiss gefleckten Holstein-Tiere auf die Alp Weissenstein gebracht. Diese Tatsache sorgte für einige Aufregung und gab zu etlichen Diskussion Anlass.
Zehn Jahr später kamen mit neuen Forschungsfragen und den Mutterkühen wieder neue Rassen (damals wurden in der Schweiz die Einschränkungen für ausländische Rassen aufgehoben). Während die ersten schwarzen Angus-Kühe noch keine grossen Reaktionen auslösten, sind die im Rahmen des Polyprojekts PRIMALP auf die Alp Weissenstein gebrachten Schottischen Hochlandrinder insbesondere den Tourist*innen in der Region aufgefallen. Auch als nach dem Abschluss des Projekts keine solchen Rinder mehr auf der Alp waren, wurde noch häufig nach den Tieren gefragt. Ähnlich ging es in späteren Jahren mit den kleinwüchsigen Dexter-Kühen.
Forschungsfragen im Wandel der Zeit
Aber nicht nur die Rassen änderten sich mit der Zeit, sondern auch die Forschungsfragen. Anfänglich ging es vorwiegend um produktionstechnische Fragen rund um die Alpung und die Leistung der Tiere. Dann rückten mit den höher leistenden Tieren auch Fragen zur Physiologie und Gesundheit der Tiere in den Fokus der Forschung. Damit genügte es nicht mehr, die Milchmenge genau zu erheben und die Tiere zu wiegen. Es brauchte ausserdem auch Blutproben von den Tieren und man musste die Herzfrequenz messen.
Mit dem Polyprojekt PRIMALP rückte auch der Gedanke, dass man das ganze Produktionssystem umfassender betrachten sollte, ins Zentrum der Forschung und damit Fragen zu Nährstoffkreisläufen, der Verwertung der Nährstoffe im Futter und schlussendlich auch die Qualität von Milch und Fleisch. Dies bedingte auch den Einsatz von bisher für den Betrieb ungewohnten Versuchstechniken. Man musste z. B. Futterproben sammeln, die möglichst genau dem entsprachen, was die Tiere frassen. Es brauchte tierindividuelle Proben von Exkrementen. Tiere mussten bezüglich ihres Verhaltens auf der Weide nachverfolgt werden. All dies erforderte kreative Lösungen von den Doktorierenden.