Ravi Sangakkara

Die gute Seele von Sri Lanka

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Pflanzenbau in den Tropen ist eine faszinierende Angelegenheit. Über 20 Jahre lang wurde den ETH-Studierenden durch Prof. Ravi Sangakkara dieses Thema nähergebracht. Er leistete jedoch viel mehr als das: Als offener, zugewandter Mensch, praktizierender Buddhist und auf allen Kontinenten der Welt erfahrener Forscher und Lehrer beeindruckte und bereicherte Ravi Sangakkara über die Jahre hinweg hunderte von ETH-Angehörigen.

Ich lernte ihn 2010 kennen. Ein kleiner, rundlicher Herr, dessen Minenspiel, Körpersprache und Schilderungen klar waren wie das Wasser eines Gebirgsbachs. Wenn es nötig war, floss dieses Wasser schnell und bahnte sich seinen Weg beharrlich – auch durch Fels. In Sri Lanka war er seit 1977 zunächst «Lecturer», später dann «Senior Professor of Crop Science» an der Universität von Peradeniya. Man zollte ihm höchsten Respekt; seine Studierenden blickten zu ihm auf und sein Rat war Gesetz. Oft führte er Verhandlungen mit der Regierung; seine Forschungsarbeit führte ihn in über 50 Länder der Erde.

Genauso gut konnte er sich aber auch einfach an der Welt um ihn herum erfreuen, dann glich er einem lieblich säuselnden, sanft vor sich hinfliessenden Strom, der die Schönheit um ihn herum reflektiert. Er genoss es, bei einem guten Essen über Gott und die Welt zu reden, zuzuhören, auch ab und zu selbst eine Anekdote zu erzählen. Vor allem aber jedem Besucher aus der Schweiz die Schönheit seines Heimatlandes zu zeigen.

Ravi Sangakkara zeigt Besuchern aus der Schweiz ein Karottenfeld – eine exotische Kultur in Sri Lanka.
(Bild: Achim Walter)

Herzlicher Gastgeber für Studierende und Kollegen aus der Schweiz

Über die Jahre waren viele Studierende für ihre Studienarbeiten Monate bei ihm im Land; wissenschaftliche Besuche und private Reisen koordinierte er mit unglaublicher Intensität und Herzlichkeit. Bei Besuchen auf den Forschungsfeldern konnte er mit den Mitarbeitern genauso wie mit lokalen Bauern jedes Detail ihrer Fragen zu Anbau und Pflanzenzüchtung erörtern.

Bei einem Besuch in Sri Lanka zeigte er mir und Kolleginnen Forschungsprojekte zum Mischanbau von Mais und Bohnen; Kartoffelanbau in grossen Höhen; Anbau von Gemüse, das in Sri Lanka als exotisch angesehen wurde – wie zum Beispiel Karotten. Auch Forschungsprojekte zu Tee, Reis, Yams und gartenbaulichen Mischkulturen von Kleinbauern (homegardens) waren Bestandteil seines Forschungs-Portfolios. Es gab unglaublich viel von ihm zu lernen – und umgekehrt war er stets wissbegierig.

20 Jahre lang Sabbatical an der ETH

Der Grund, wieso er über 20 Jahre lang Jahr für Jahr von Oktober bis Dezember an die ETH zurückkehrte, war zum einen diese Wissbegierigkeit. Er wollte im Büro sitzen und lesen. Die Bibliothek nutzen, recherchieren, ab und zu an der ETH und an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen eine Vorlesung halten, Manuskripte schreiben und über Wissenschaft diskutieren. Er genoss diese Zeit – sie war für ihn ein alljährlich wiederkehrendes Sabbatical. Das graue Wetter mit Hochnebel störte ihn nicht – im Gegenteil: Es fiel ihm dann noch leichter, sich in die Wissenschaft zu vertiefen. Sonntags ging er nach Adliswil in den Tempel. Bei privaten Einladungen, Weihnachts- oder Doktoratsfeiern war er ein zurückhaltender, aber zugewandter und immer angenehmer Gast.

Der andere Grund, wieso er diese jährlichen Aufenthalte genoss, war, dass er hier ein einfacher Mensch unter vielen sein konnte – niemand Besonderes. Die Verantwortung und der Respekt, der ihm in seiner Heimat entgegengebracht wurden, wich hier einer Kollegialität, die ihn mit allen gleichermassen verband – vom Studierenden bis hin zum Professor. Es war für ihn eben wirklich ein alljährliches Sabbatical, bei dem er aus seiner Rolle des Amtsinhabers in die Rolle des Postdocs und Menschen zurückkehren konnte.

Toleranz für andere Sitten

Urlaub war für ihn, mit einer Tasse Tee im Bett zu liegen und ein gutes Buch zu lesen. So sehr er die Schweiz und die Schweizer mochte; diesen Drang, auf Berge zu steigen oder sich auf schmalen Brettern verschneite Hänge hinabzustürzen, verspürte er nie. Auch wunderte er sich, wie die Studierenden es im Berufsleben später zu etwas bringen könnten – hatte doch jede und jeder, die ein Studienprojekt bei ihm in Kandy durchführte über die Jahre hinweg stets auch minutiöse Reise- und Freizeitpläne. Er gönnte dies den Studierenden und nahm dies ohne Abwertung hin – aber er verwies oft darauf, dass man nur durch Arbeit vorankommen könne.

Die intensive Zuwendung, die er jedem zuteilwerden liess, beruhte auch darauf, dass er alleine lebte. Zwar mit Personal, wie es in seinen Kreisen in Sri Lanka üblich war – aber ohne Partner oder Partnerin. Dieser erfüllte Quell an Empathie konnte umso mehr alle bereichern, die sich mit ihm bekannt machten.

Viel zu früh verstarb er mit nur 63 Jahren im Jahr 2014 bei einem Unfall in Kandy in Sri Lanka.