100 Jahre Abteilung VII
«Im Dienst der Wirtschaft und zum Wohle des schweizerischen Bauernstandes»
Die Abteilung VII oder Abteilung für Landwirtschaft feierte 1971 ihr 100-jähriges Bestehen. In Festreden und einem Symposium über die «Aufgaben und Ziele der Landwirtschaftlichen Forschung» wurden die damals aktuellen Herausforderungen der Agrarwissenschaften diskutiert.
In den ersten 100 Jahren seit der Gründung der Abteilung durchliefen fast 2000 Studierende die Ausbildung zu Ingenieur-Agronom*innen an der ETH. Seit 1965 nahm die Anzahl der Studierenden stetig zu. 1971 war die Auslastung der Abteilung mit 357 Studierenden und 85 Doktorierende und Assistierenden höher denn je und ein weiterer Anstieg der Studierendenzahlen wurde erwartet. Rund 25 Professoren und 36 Lehrbeauftragte unterrichteten die Fachbereiche Landwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften, zusätzliche 27 Professoren lehrten Grundlagenfächer im weiteren Sinne. Die stetige Zunahme der Neuimmatrikulierten und die Umstrukturierung der Studiengänge zu einem eher modularen System führte zu einem Raummangel, der im Rahmen des Jubiläums mehrfach diskutiert wurde.
Wachsende Weltbevölkerung, bedrohte Umwelt
In Referaten und Festreden kamen Themen zur Sprache, die bis heute nicht an Aktualität verloren haben. So bedankte sich Bundesrat Tschudi für die «wichtige und erfolgreiche Arbeit der Abteilung für Landwirtschaft im Dienst der Wirtschaft und zum Wohle des schweizerischen Bauernstandes». Ausserdem schrieb er der Abteilung immer zentraler werdende Aufgaben im Bereich des «Umweltschutzes zur Erhaltung günstiger Lebensbedingungen für Pflanzen, Tiere und Menschen sowie bei der Verwirklichung der schweizerischen Agrarpolitik» zu, wie es in der Schweizerischen Bauzeitung hiess.
Eine weitere wichtige Aufgabe, die den Agrarwissenschaften zugeschrieben wurde, war die Lösungsfindung für die Ernährung der stetig wachsenden Weltbevölkerung und die Ungleichverteilung der Nahrungsmittel. Anders als heute lag, zumindest für den damaligen Vorstand der Abteilung VII, Professor Dr. Alfred Schürch, die Herausforderung nicht hauptsächlich in der Entwicklung neuer Züchtungs-, Produktions- oder Verteilungsmethoden, sondern in einer Möglichkeit das Bevölkerungswachstum rechtzeitig zu bremsen und so ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Umwelt herzustellen, schrieb die Schweizerischen Bauzeitung.
Kontroverse Subventionspolitik
In mehreren Reden wurde die damals aktuelle Diskussion zu den Preisstützungsmassnahmen des Bundes erwähnt. Laut der Schweizerischen Bauzeitung kritisierte Alfred Schürch die Entwicklung in eine Richtung in der «tüchtige» Landwirte für ihre Produktion bestraft würden und «das zukünftige Produktionspotential durch zu drastische Einschränkungen in Frage gestellt wird». Der emeritierte ETH Professor und Altbundesrat Wahlen plädierte laut den Neuen Zürcher Nachrichten hingegen für die Entschädigung sozial- und gesellschaftspolitischer Leistung in Formen, die nicht den Charakter von Subventionen oder Sozialzuschüssen, sondern möglichst den eines Leistungsentgeltes hätten.
Wahlen wurde im Rahmen des Festaktes ein Ehrendoktortitel verliehen «in Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste um die Förderung der Lebensmittelerzeugung auf Grund der umfassenden Kenntnis der natur- und wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhänge und seines von warmer Menschlichkeit getragenen Wirkens für die Neugestaltung der Urproduktion in der Dritten Welt», wie der Presse- und Informationsdienst der ETH in einer Mitteilung schrieb.
Etwa schaffen, das bleibt
Die Jubiläumskommission wollte ausserdem etwas schaffen, das «beständiger ist als die Feier selbst», wie sie in einer Pressemitteilung schrieb, und entschied sich für die Eröffnung des Agrofonds 1971, der 25 Jahre lang Forschungsprojekte unterstützen würde. Der Fonds sollte die Finanzierung durch den Bund ergänzen, indem er beweglicher Gelder bereitstellen konnte und so Projekte dort unterstützte, wo «unvermutet neue Probleme auftauchten». Mit einer Werbeaktion machte die Jubiläumskommission über 450 Firmen und Organisationen, die mit der Schweizer Landwirtschaft assoziiert waren, auf den Agrofonds aufmerksam. Dadurch kamen Spendengelder von über einer Million Franken zusammen.