Drei kleine Schatztruhen im LFW
Wenn Kunst und Wissenschaft nahe beieinander liegen
Ganz vergessen lagerte in einem Schrank im LFW viele Jahre lang eine Lehrsammlung von besonderem Wert. Nur durch Zufall kamen die 130 handkolorierten Glasdias des Künstlers Josef Hanel wieder zum Vorschein. Sie zeigen botanische Motive mit unglaublich realistischen Farben und beeindruckender Detailtreue.
Sabina Keller, Mitarbeiterin und Dozentin der Graslandwissenschaften, war mit der Digitalisierung einer Lehrsammlung beschäftigt, als sie in einem Schrank im C-Stock des LFW drei Kisten mit seltsamen, aber wunderschönen, kleinen Glasbildern entdeckte. Ein paar Jahre später las sie einen Artikel über eine Sammlung handkolorierter Glasdias des Künstlers Josef Hanel (1865–1940), die im Keller des botanischen Museums der Universität Zürich entdeckt worden sind. Sie erinnerte sie sich an den Fund und tatsächlich: Im Schrank fand sie – wie kleine Schatztruhen – drei Holzkisten gefüllt mit 130 handbemalten Glasdias mit dem Kürzel I.H., wie Josef Hanel seine Bilder zu beschriften pflegte.
Grosse Perfektion in Kleinformat
Jedes Dia ist ein Unikat und der Wert der kleinen Kunstwerke entsprechend gross. Die Herstellung dieser Farbbilder war damals ein aufwändiger Prozess. In einem ersten Schritt wurde eine Schwarzweiss-Fotografie gemacht, dann ein Abzug auf Glas, den Josef Hanel in einem letzten Schritt von Hand kolorierte.
Das Kolorieren der nur 8 bis 10 cm2 grossen Glasplatten erforderte Fingerspitzengefühl. Um die stark verdünnten Eiweisslasurfarben exakt aufzutragen zu können, benutzte er ein Leuchtpult und eine starke Lupe. Dabei musste jeder Pinselstrich auf Anhieb perfekt sein, denn einmal appliziert, wurde die Farbe sofort von der Gelatineemulsion aufgesogen und konnte nicht mehr korrigiert werden. Umso beeindruckender ist, wie realistisch die Kolorierungen scheinen und wie perfekt jedes Detail stimmt.
Hanel machte die Lehre schärfer
Ursprünglich Dekorationsmaler, eignete sich Hanel die Kunst des Fotografierens selbst an und spezialisierte sich auf die Herstellung farbiger Lichtbilder zu Lehrzwecken. Diese Bilder entstanden zwischen 1915 und 1940 und zeigen verschiedene Ökosysteme, Kulturen in allen Wachstumsstadien und von Krankheiten befallene Pflanzen.
Eigentlich gab es bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erschwingliche Farbfilme. Hanels Lichtbilder waren aber aufgrund ihrer Tiefenschärfe besser geeignet für die Projektion auf die Grossleinwand und ihre Detailtreue gaben ihnen einen zusätzlichen wissenschaftlichen Mehrwert.
Wann und wer die Dias erworben hat, ist heute unklar. Aber sicherlich lagerten sie lange Jahre in besagtem Schrank des LFW. Inzwischen wurden die 130 wertvollen Glasplatten alle digitalisiert und befinden sich wieder im LFW bei Nina Buchmann. Sie werden an das ETH-Archiv übergeben, bleiben aber als Scan zugänglich. Es ist geplant über diese und eine weitere Sammlung von Glasdias ein Buch zu veröffentlichen.