Virtueller Getreidesortengarten

Erfolgreiche Digitalisierung für nachfolgende Generationen

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Mit der Pensionierung des langjährigen «Kurators» Ernst Merz drohte das Aus für den Getreidesortengarten in Eschikon. Der Unterhalt der einmaligen Bestände konnte nicht mehr garantiert werden. Als Ersatz wurde die Sammlung digitalisiert und als «Virtueller Sortengarten» für die nachfolgende Generationen von Studierenden erhalten.

Schaugärten haben Tradition in Botanischen Gärten und in Agrarfakultäten. Ein Getreidesortengarten bestand auch an der ETH in der Feldversuchsstation Eschikon. Er diente der Ausbildung der Studierenden und der Schüler*innen der benachbarten Landwirtschaftsschule Strickhof. Der Leiter unserer Feldversuchsequipe Ernst Merz übernahm ihn in jungen Jahren, der Garten und er wuchsen quasi gemeinsam und befruchteten sich gegenseitig. Alle traditionellen Getreidearten wie Weizen, Gerste, Roggen und Hafer, die verschiedenste Ansprüche an den Standort haben, waren vertreten. Die Qualität eines solchen Gartens ist nicht naturgegeben sondern mit dem immensen Wissen von Ernst Merz gekoppelt, ab 2004 übernahm er dort die Ausbildung der Studierenden. Mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt («Convention on Biological Diversity (CBD)») wuchs das Interesse auch in der Schweiz. Der Sortengarten der ETH bot mit Abstand das beste Ausstellungsmaterial.

Perfekte Minibestände haben ihren Preis, jeder muss speziell betreut sein. Besonders uralte Sorten und die Wildvorfahren sind schwachwüchsig und es fehlt an Winterhärte. Wir mussten bei anstehender Pensionierung von Ernst Merz feststellen, dass eine Weiterführung des Gartens nicht möglich war ohne sein Spezialwissen und seine Bereitschaft, auch in Mittagspausen und an Wochenenden einzugreifen.

Virtueller Garten

Aber der Sortengarten sollte nicht ganz verschwinden. Die Lösung war ein virtueller Garten. Es gab im Netz viele Abbildungen von Getreidepflanzen, aber es fehlten Informationen, um die unterschiedlichen Pflanzen direkt vergleichen zu können. Das Ziel war, eine Datenbank zur Verfügung zu stellen, die Bilder aller relevanten Getreidearten in vergleichbarer Art enthielt. Realisiert wurde das Projekt von Ernst Merz und dem Fotografen und Webseiten-Gestalter Jonas Honegger. Ernst Merz stellte Fotos vom Sortengarten zur Verfügung und Jonas Honegger fotografierte die Fruchtstände der Getreidesorten, alle im gleichen Massstab vor einem neutralen Hintergrund. Die Webseite wurde in zwei Sprachen, deutsch und englisch aufgeschaltet, für französisch reichte das Budget nicht mehr.

Alle Informationen sollten frei abrufbar und für alle kostenlos nutzbar sein. Die Reaktionen waren überaus positiv, viele schickten uns Informationen, wo und wie sie unsere Bilder genutzt hatten. Bald wurde klar, dass die ETH mit diesem virtuellen Garten das vollständigste Dokument zur Entstehung der Getreidesorten von den Wildvorfahren über Landsorten bis zu modernen Zuchtsorten aufgebaut hatte. Selbst in der Fachzeitschrift Science erschienen Abbildungen aus dem Virtuellen Sortengarten und auch in einem Amerikanischen Lehrbuch für das BSc-Studium Biologie sind sie zu finden.

Inzwischen gibt es wieder einen kleinen Sortengarten im Bereich der Feld Phänotypisierungsanlage in Lindau Eschikon , der für Agrarexkursionen und die Lehre in Pflanzenzüchtung genutzt wird. Das heisst die Studierenden müssen auch in Zukunft nicht auf Anschauungsmaterial im Feld verzichten.

Der echte Sortengarten in Eschikon, 2007.
(Bild: Ernst Merz)